Trost und Stärkung in Krisenzeiten
2024 feiern wir 500 Jahre Evangelisches Gesangbuch (EG). Die Lieder darin sind mehr als nur Untermalung in Gottesdiensten. Gerade in Krisenzeiten spenden sie Trost, Hoffnung und Stärke. Kirchenlieder haben Menschen über 500 Jahre in persönlichen und gesellschaftlichen Krisen begleitet. In Krieg, Not und Seuchen waren sie fester Halt in den dunkelsten Stunden. Lieder können einzigartig in die Seele sprechen und fassen, was Worte allein nicht vermögen. Melodie und Text verbinden sich zu einer Kraftquelle. Besonders die Lieder von Paul Gerhardt und Dietrich Bonhoeffer stehen für eine solche Erfahrung. Paul Gerhardt (1607–1676) war ein bedeutender evangelischer Kirchenlieddichter im Dreißigjährigen Krieg. Er verlor mehrere Kinder und seine Ehefrau. Dennoch zeugen seine Lieder von tiefer Hoffnung im Glauben. Ein sehr tröstliches Lied ist „Befiehl du deine Wege“ (EG 361). In Zeiten vermeintlich ohne Auswege erinnert es an die sichere Führung Gottes. Das Abendlied „Nun ruhen alle Wälder“ (EG 477) beschreibt sowohl die Ruhe der Nacht, als auch die in Gott. Besonders das „Leg alles ihm zugrunde, was dich betrübt und kränkt“ ermutigt, Sorgen im Vertrauen auf Gott zu besehen. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906–1945), während der NS-Zeit inhaftiert und hingerichtet, fand noch in Gefangenschaft vor dem Tod stärkende Worte. Bonhoeffers Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, später vertont (EG 65), entfaltet in den Zeilen „Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar“ tiefe Zuversicht, die jede menschliche Angst überwindet.
Heute, wo vielen die Welt düster und unsicher erscheint, sind Kirchenlieder erneut eine Lichtquelle. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit besingen sie, dass Gott in den dunkelsten Stunden bei uns ist und Christi Geburt Hoffnung und Frieden bringt. Lieder wie „O Heiland, reiß die Himmel auf“ (EG 7) oder „Es ist ein Ros entsprungen“ (EG 30) lenken unseren Blick auf dieses große Geschenk.
Man muss das Buch nur öffnen und die Stimme erheben.
Roland Süß